Als ich Karpathos im Mai verlassen hatte, da stand es längst schon fest: Im September kommst du wieder. Gegen Mittag war ich am 11. September 2001 gelandet und unendlich glücklich, wieder hier sein zu dürfen.
Da meine Freundin Sofia ja zu der Zeit jede Menge Arbeit mit neu ankommenden Gästen hatte, versprach ich ihr, am Abend zu kommen, um mit ihr in Ruhe zu plaudern. Den Nachmittag verbrachte ich damit, vielen meiner anderen Bekannten und Freunden mal kurz Hallo zu sagen und den einen oder anderen Frappé zu trinken.
Nun kam ich gegen 19:30 zurück zu Sofia, die ja nur in den Sommermonaten auf Karpathos lebt. Ansonsten lebt die aus Aperi stammende Sofia ja mit ihrer Familie im US-Bundesstaat New Jersey. Als ich ihr Wohnzimmer betrat, kam sie mir völlig aufgelöst entgegen; ihre aufgeregten Worte verstand ich nicht und dachte nur: Mach doch mal einer dieses fürchterliche Fernsehen aus. Müsst ihr Griechen denn immer die Flimmerkiste laufen haben? Was bringen sie denn da überhaupt? Mein Gott, die Amis machen in ihrer Filmindustrie ja wirklich vor nichts halt, aber das kennt man ja schon von vielen ihrer Katastrophenfilme – dachte ich.
Sofia zeigte auf die schrecklichen Bilder, als das zweite Flugzeug (United-Airlines) in den Südturm flog und schrie, dass mir das Blut in den Adern zu stocken schien. Ich nahm sie einfach nur in die Arme und wollte den Fernseher ausschalten. Sie schrie noch mehr und hinderte mich, diesen fürchterlichen Film wegzuschalten, während ihr Mann wie paralysiert auf dem Sofa saß und auf den Bildschirm starrte. Erst da begriff ich – wenn man überhaupt von begreifen reden kann. Mein Entsetzen steigerte sich noch, als Sofia von ihrer Tochter erzählte, die als Flugbegleiterin bei der Unites Airlines arbeitet und die sie 4 Stunden lang nicht telefonisch erreicht hatte. Das gesamte Telefon- und Handynetz war ja zusammengebrochen und meine Freundin war nahe daran, ihren Verstand zu verlieren, als sie dann endlich, endlich die Stimme ihre Tochter hörte, die genau an diesem Tag einen flugfreien Tag hatte.
Lange Zeit noch saßen wir entsetzt und weinend zusammen.
In den nächsten Tagen gab es auf Karpathos kaum ein anderes Thema als dieses Attentat, kein Kafenion, keine Taverne, wo nicht ständig der Fernseher lief und ich erinnere mich noch genau an die Stimmung, die sich damals unter der Bevölkerung breit machte – Wut, Hilflosigkeit und Angst. Fast alle haben ja Verwandte in Amerika oder lebten selbst in den Vereinigten Staaten. Viele – wie auch die Familie meiner Freunde - hatten Angst vor dem Flug am Ende der Saison zurück in die Staaten.
Man rückte zusammen in diesen Tagen, die Bewohner von Karpathos und wir, die Fremden, die Gäste, die Touristen – die ξένοι.

Wer von euch war noch zu dieser Zeit auf der Insel und wie habt ihr diesen Tag dort erlebt?

Kassandra

Guten Morgen,
an diesem grausamen 11.09.2001 flogen wir um 4:20 Uhr von Ffm. nach Zakynthos. Morgens war für uns die Welt noch in Ordnung. Bekamen auch dort nichts gravierendes mit. Nur gegen Abend ballte sich eine Menschenmenge um den Fernseher an der Bar. Engländer, dachten wir, die können auch im Urlaub nicht auf den Fernseher verzichten. Im Urlaub haben wir immer Nachrichtensperre, wir schauen kein Fernsehen und lesen auch keine Tageszeitung, abschalten und genießen hat für uns Priorität. Am nächsten Tag am Gerakas-Beach hörten wir aus allen Richtungen, welch schreckliche Katastophe sich in den Vereinigten Staaten ereignet hatte und jeder sprach mit jedem, auch wir empfanden ein unheimliches Zusammengehörigkeitsgefühl egal mit welchem Landsmann, es war auf einmal eine Gemeinschaft aus diesem schrecklichen Ereignis heraus. Jetzt wussten wir auch, warum sich alles um den Fernseher geballt hatte. Aus der Tageszeitung erfuhren wir dann Näheres und waren froh, heil auf der Insel gelandet zu sein und meldeten uns erst mal bei unseren Angehörigen zu Hause.
Das war unser 11.09.01. Seit dieser Zeit sind wir mit einem Paar befreundet, treffen uns jährlich einmal und haben sogar 2003 ein paar Tage zusammen auf Karpathos verbracht.

Hoffentlich passiert ein so schreckliches Ereignis nie mehr wieder.
Einen schönen Sonntag und viele Grüße
achata