In den Jahren der Besatzung unterhielten die Deutschen auf Karpathos einen Luftwaffenstützpunkt. Damals kamen die englischen Flugzeuge und warfen hier ihre Bomben ab. Leuchtend weiß, erbaut auf dem Gipfel des Felsens, war das Kirchlein der Agia Kiriaki von meilenweit her zu erkennen, sogar bei Nacht. Das sahen nun also die englischen Bombenflugzeuge und orientierten sich daran und konnten so leicht den Ort des deutschen Flugplatzes ausmachen, der sich wenige Kilometer davon entfernt befand. Eines Tages gab der deutsche Kommandant seinen Soldaten den Befehl, das Kirchlein schwarz anzustreichen, damit es bei Nacht nicht mehr sichtbar war, um so die Mission der Flugzeuge der Alliierten zu erschweren. Die Soldaten nahmen einen Eimer Farbe und strichen es schwarz an. Am nächsten Morgen aber war das Kirchlein wieder weiß. Also befahl der Kommandant seinen Soldaten, es abermals schwarz anzustreichen und sich auf die Lauer zu legen, um herauszufinden, wer der feindliche Agent war, der hingeht und es in der Nacht heimlich wieder weiß anstreicht. Um Mitternacht sahen die deutschen Soldaten, die Wache hielten, die Türe aufgehen und eine alte Frau aus dem Kirchlein herauskommen, in ihrer Hand einen Eimer Kalkfarbe und eine lange Malerbürste. Eins, zwei strich die Alte mit gewandten Bewegungen die Kirche und den Kirchhof weiß an und öffnete dann wieder die Türe und ging hinein. Daraufhin stürmten die Deutschen los, um sie zu verhaften. Sie stellten das Kirchlein auf den Kopf, aber keine Seele fanden sie darin, als ob die Erde sich geöffnet und die Alte verschluckt hätte. Als der deutsche Kommandant die seltsame Nachricht erfuhr, schloss er daraus, dass die alte Frau die Heilige Kiriaki selbst war, die nicht wollte, dass ihr Kirchlein schwarz gestrichen wurde. Er war von dem Wunder so beunruhigt, dass er befahl, das Kirchlein fortan unbehelligt und so weiß zu lassen, wie es war.
Aus dem Roman "I Anara" von Vasilis Gergatsoulis, der 1965 auf Karpathos geboren wurde und als Pädagoge und Volkskundler arbeitet. Der Roman erschien 2005 in griechischer Sprache im Verlag "Synchroni Epochi", ISBN 960-224-979-X. Übersetzt von Karpathiote
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