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 Betreff des Beitrags: Ein denkwürdiges Erlebnis auf dem Friedhof von Pigadia
BeitragVerfasst: Sa 17. Mär 2012, 09:40 
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Auf Friedhöfen begegnet man den Geschichten der Menschen auf besondere Art und ich besuche gern die Friedhöfe dieser Welt, tauche ein in die Ruhe und in den Frieden dieser Stätten.
In Griechenland berührten mich zwei sehr persönliche Erlebnisse ganz besonders. Das eine war 1988 die Begegnung mit der Mutter des am 1. Mai 1976 ermordeten Alekos Panagoulis auf dem großen Friedhof von Athen und das zweite begab sich vor mehr als 10 Jahren auf dem Friedhof von Pigadia.
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Eigentlich hatte ich an diesem Tag etwas ganz anderes geplant, aber nach einer schlechten Nachricht aus Deutschland am Vorabend war es mir an diesem Morgen nicht möglich, mit lustigen Menschen zusammen zu sein.

So lenkte ich meine Schritte auf den Friedhof von Pigadia. Einige Leute versorgten dort die Gräber, säuberten die Grabplatten und entzündeten ihre Öllämpchen. Mein erster Gang führte in die Kirche, in deren Kühle ich mich zunächst zurückzog, die Türe halb geöffnet. Lange weilte ich an diesem stillen Ort und wie es üblich ist, entzündete auch ich dort meine Kerzlein.
Gleißende Sonne blendete mich und ich konnte fast nichts sehen, als ich dann irgendwann wieder die Kirche verließ. Auf den Stufen saß eine alte Frau. Sie erwiderte meinen Gruß, doch über ihr Gesicht rannen Tränen.
War es meine eigene emotionale Situation, die eine unerklärliche Nähe zu dieser alten Frau spürbar machte? Ich weiß es heute nicht mehr zu sagen. Jedenfalls saßen wir einige Minuten schweigend nebeneinander, mir saß ein Kloß im Hals und auch mir liefen die Tränen. Dann erzählte sie mir etwas, wovon ich nicht alles verstanden habe. Vorsichtig fragte ich sie, ob sie ihren Mann beweine. Nein, antwortete sie, ihre Traurigkeit gelte ihrer Mutter. Ich schluckte, um nicht schon wieder loszuheulen und sie bedeutete mir, ich solle ihr folgen, sie wolle mir etwas zeigen. Jetzt zeigt sie mir sicher das Grab ihrer Mama, dachte ich. Doch statt zu den Gräbern zog sie mich zur Wasserstelle gleich neben dem Eingang des Friedhofs. Was ist das, was da im schmutzig-trüben Wasser herumschwimmt und warum zeigt sie mir das? Sie taucht ihre Hand in das Wasserbecken und zeigt mir – jetzt fällt es mir wie Schuppen von den Augen – die kleinen Knöchelchen ihrer Mama. Danach zieht sie mich wieder zu den Stufen der Kirche und erzählt und diesmal verstehe ich auch, wovon sie redet. Vor acht Jahren sei ihre Mutter verstorben, erzählte sie und nun müsse sie aus dem Grab, weil dieses demnächst wieder benötigt würde. Dort hinten, da stünde das kleine Kistlein, in das später die Knochen ihrer Mutter ihre letzte Ruhe finden würde. Wir sprachen noch ein wenig über das Leben und den Tod, über Gott und über die Panagia.
Später dann ging sie zu dem Wasserbecken am Eingang des Friedhofs, um den letzten Liebesdienst an ihrer Mutter zu leisten, während ich nachdenklich über den Friedhof ging – und da stand es dann, das kleine Kistlein mit dem Namen ihrer Mutter und dem Todestag. Es war wirklich fast genau vor 8 Jahren.
Dieses Erlebnis hat mich tief berührt und ich werde es ganz sicher niemals vergessen.
Lange habe ich überlegt, ob ich dieses sehr persönliche Ereignis im weltweiten Netz veröffentlichen soll und welcher „Sprache“ ich mich hier am besten bediene, um der Intimität des Erlebnisses genügend Respekt einzuräumen. Ich hoffe, es ist mir so einigermaßen gelungen.

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Wer nähere Infos über den Umgang der Griechen mit Verstorbenen sucht, findet sie u.A. im Reiseführer 'Kárpathos‘ (Michael Müller-Verlag)

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 Betreff des Beitrags: Re: Ein denkwürdiges Erlebnis auf dem Friedhof von Pigadia
BeitragVerfasst: Sa 17. Mär 2012, 18:09 
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Moderator

Registriert: Di 17. Jun 2008, 09:48
Beiträge: 900
Danke!!

Fred von den Hellasfreunden Bern hat auch mal über eine Begegnung auf dem Friedhof in Pigadia geschrieben, hier nachzulesen: http://www.hellasfreunde.ch/42_Bulletin ... 23_red.pdf

_________________
Grüßle,
Sirtos


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 Betreff des Beitrags: Re: Ein denkwürdiges Erlebnis auf dem Friedhof von Pigadia
BeitragVerfasst: Sa 17. Mär 2012, 19:47 
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Registriert: Fr 25. Apr 2008, 17:05
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Hallo Sirtos,
danke für den Link, da habe ich vor Jahren auch schon mal reingeschaut; interessante Beiträge.
Gestern fand ich an anderer Stelle ;) eine Schilderung aus dem Buch „Chaos ist ein griechisches Wort“, in dem eine Frau ständig die Gebeine ihres (verstorbenen) Mannes mit Wein wäscht.

Als ich das meinem Partner vorlas, meinte er, sie hätte sicher ein schlechtes Gewissen gehabt, ihn zu Lebzeiten kurz gehalten zu haben und ich solle ihm den Wein doch lieber zu Lebzeiten kredenzen. :yamas:

LG Kassandra :wink:

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