Tag 4: Träne im Knopfloch und "Blue Eyes"
Orte: Kapelle Ekklisia Panagia, Forokli Beach, Kapelle Agios Giorgious, Awlona, Olymbos
Der intensive, lange und aktionsreiche Tag gestern fordert sein Tribut.
Das Aufstehen gegen 08:00 Uhr fiel immens schwer.
Zwar sind wir beide wach, doch die Nachwehen des Rakki und leichter Muskelkater
verhindern ein sofortiges Erheben aus dem Bett.
Eigentlich hatten wir vorgehabt, in Olymbos zu frühstücken, da wir beide kein Freund
von Küchenaktivitäten im Urlaub sind, kochen wir doch viel und ausgiebig zu Hause.
Schließlich canceln wir das angedachte Proino im Kafenion mit einem wissenden Zuzwinkern und schummeln so noch eine gute Stunde raus,
um noch liebenzubleiben, äh liegenzubleiben.
Der Plan für heute ist denkbar einfach: Tanken, an einen neuen Strand und später dann nach Awlona.
Wir erwähnen das Tanken hier nicht gesondert, de facto haben wir aber in etwa alle zwei oder drei Tage kurz vor Aperi getankt,
weil wir das Risiko nicht eingehen wollten, ohne Sprit irgendwo liegenzubleiben, zumal wir halt auch gerne mal spontan abbiegen
oder auf einer Schotterpiste um einen Hügel herumfahren wenn etwas landschaftlich Spannendes unsere Aufmerksamkeit
erregt. Sobald sich die Nadel der Halbvoll-Marke näherte sahen wir zu, dass wir - solange wir in Olymbos wohnten - zeitnah
volltankten. Später in Adia war das dann ein wenig entspannter.
Wir kauften in beiden Supermärkten von Olymbos ein (Wasser, Früchte, Kekse etc.) und los ging's.
Überhaupt versuchen wir immer so viele verschiedene Tavernen wie möglich zu besuchen und das Geld
so weit verteilt wie möglich den jeweiligen Menschen zukommen zu lassen.
Bei guter Küche/gutem Service kommen wir auch gerne wieder (im "Old Monolithos" auf Rhodos waren wir sogar dreimal essen!!!)
aber generell möchten wir möglichst viele Tavernen ausprobieren und somit möglichst vielen Leuten Einnahmen bescheren.
Nach erfolgtem Tankstopp fuhren wir wieder nach Norden und kurz vor Umfahren der Ostflanke des Profitas Illias fanden wir den Abzweig
Richtung Forokli Beach. Die Straße war die bisher schlechteste, was ich genoss, Petra jedoch mit einem deutlich hörbaren Seufzer quittierte.
Wie immer war die Aussicht grandios: Berge, Klippen, Gebirgsflanken spielen mit dem Sonnenlicht, übertrumpfen sich gegenseitig im Schatten werfen
und die Serpentinenstraße windet sich hindurch und bietet dadurch nahezu nach jeder Kurve atemberaubende neue Landschaftsbilder.
Man könnte fast meinen, dem guten alten Fürst Pückler wäre sein Bad Muskau zu langweilig geworden und er hätte sich auf Karpathos mit den richtig großen
(Landschafts-)Bauklötzchen ein wenig die Zeit vertrieben. Wir hielten auch bei der Kapelle Ekklisia Panagia und erfrischten uns an einem kleinen Brunnen,
den außer uns auch zahlreiche Bienen als Wasserversorgung für sich nutzen.
Als wir uns schließlich dem Ende der Schotterpiste nähern, sind wir zum zweiten Mal bei der Ankunft an einem Strand baff:
Wieder fanden wir außer uns beiden NIEMANDEN vor.
Zumindest keinen Badegast.
In der Bucht dümpelte ein weißes Boot - Captain Manolis' Boot, wie sich später noch herausstellen wird.
Ein traumhafter, vollkommen leerer und sauberer Kieselstrand lädt zum Baden ein.
Da mögliche schattenspendende Vegetation zu weit vom Wasser entfernt lag, entschloßen wir uns, ohne Schutz und ordentlich
eingecremt, nah ans Wasser zu gehen.
Petra entspannte, ich war ohnehin sofort mit dem Schnorchel im Wasser.
Da ich mir an den Tagen zuvor derart böse beim ausgiebigen Schnorcheln den Rücken verbrannt hatte,
musste fortan das jeweils erste T-Shirt/Polo-Shirt des Tages mit mir ins Wasser - zum Glück mangelte es nicht an textilen Oberbekleidungen.
Im lockeren Gespräch erfuhren wir, dass Captain Manolis mit seinem Boot die Badebuchten abfährt.
Seine Offerte beschäftigte uns noch die nächsten Tage, da wir wirklich ernsthaft darüber nachdachten,
einfach die Ostküstenbadebuchten vom Meer her zu erkunden. Letztlich entschieden wir uns dagegen, zum einen
weil uns die Person einfach nicht so sympathisch erschien (ist auch schwer nachdem die Messlatte
durch Captain Nikos so dermaßen hoch gelegt wurde), zum anderen
waren wir nur noch zwei Tage hier oben im Norden und da auch er von Diafani aus ablegte, hätten wir uns
spontan für morgen (Samstag) festlegen müssen, da wir den letzten (Vormit-)Tag (Sonntag) in Olymbos selbst verbringen wollten.
Letztlich war aber alles gut so, wie es war.
Um die Mittagszeit verließen wir Forokli und setzen Kurs auf Awlona.
Man berichtete uns, Awlona sei die Kornkammer des Nordens und viele Leute aus Diafani oder Olymbos
hätten dort Häuser oder Agrarlandflächen. Wir waren beeindruckt.
Auf den ersten Blick eine heimelige und putzige Siedlung.
Nach einem Erkundungsgang durch den Ort und das obligatorische Füttern diverser
Paarhufer und Esel mit Gemüse oder Brot stellten wir jedoch verblüfft fest, dass Awlona nahezu unbewohnt war.
Wir besuchten die einzige Taverne des Ortes, betrieben von der Familie Lentakis und wurden überrascht.
Einerseits war das Essen dort genial lecker (Tsatsiki, ein echter Bauernsalat mit lokalem Gemüse und diesen leckeren,
leicht bitter schmeckenden Kräuter/Gewächse und Moussaka sowie einen Art Spinatreis mit Kardamom und Fenchel - Klasse).
Außerdem hatten wir die beste, selbstgemachte Limonade ever und wir meinen damit wirklich EVER.
Frisch gepreßte Zitronen, Rosmarin und was weiß ich noch nicht alles - saulecker, sodaß wir gleich mehrere Gläser
begeistert geleert haben.
Schließlich aber der traurige Part: Anna Lentakis erzählte uns, das Awlona nur noch von 5(!!!) Personen dauerhaft bewohnt wird, zudem
lebt noch saisonal ein pakistanischer Helfer dort.
Das Dorf stirbt aus, die Häuser des Ortes stehen - außer zur Erntezeit, wenn manche Olymbioniten sich für ein paar Wochen dort aufhalten -
leer. Der Rundgang durch Awlona bestätigte uns das. Verschlossenen Türen, verfallene Gebäude, lange nicht mehr bewohnte Verandas.
Der pakistanische Helfer zeigte uns sogar die "Studios" von Annas Familie, die man mieten könne, doch auch sie sind leider nicht mehr
im allerbesten Zustand und werden es echt schwer haben, potentielle Reisegäste anzulocken.
Wird sind irgendwie betroffen und traurig obwohl wir uns bei den beiden alten Damen sehr wohl gefühlt haben.
Schließlich bittet uns Anna noch einen Sack "Rewithja" (Kichererbsen) nach Olymbos mitzunehmen und ihn dort Ihrer Tochter Marina, welche die Taverne
"Olymbos" betreibt, zu übergeben. Das machen wir natürlich gerne und beim Abschied haben wir einen kleine Träne im Knopfloch ob der Tatsache,
dass es den Ort Awlona in 15 Jahren oder so als dauerhaft bewohnte Siedlung auf Karpathos wohl nicht mehr geben wird.
Nach der Ankunft in Olymbos bringen wir Marina die Kichererbsen, werden von ihr zu Kaffee und Gebäck eingeladen und dürfen
sogar in die Küche schauen, wo gerade frisches Gemüse aus Awlona angekommen ist.
Anschließend füttern wir noch den Papagei vor einer der Tavernen am Busplatz,
stocken die Wasservorräte auf und überlegen auf dem Weg zurück zum Auto, wo wir heute Abend essen wollen.
Diese Entscheidung wurde uns aber - ohne es zu wissen - wenig später wie von selbst abgenommen.
Wir fuhren unsere Staubpiste um Olymbos herum nachhause als wir kurz vor der letzten Kurve einen Kühltransporter bemerkten,
der die Straße größtenteils blockierte.
Ich stieg aus, sah aber niemanden.
Die Seitenklappe stand offen und ich sah Gemüse, Obst, Käse und andere zu kühlende Nahrungsmittel.
Jemand lieferte hier wohl gerade Waren aus.
Da auch nach ca. 10 Minuten niemand zum Wagen zurückkam, bat ich Petra mich zu dirigieren,
da ich den Transporter gerne rechts umfahren würde.
Sie war ziemlich skeptisch ob des sich rechts auftuenden gähnenden Abgrundes aber schließlich winkte sie mich ein.
Gerade so kamen wir vorbei.
Als wir vorbei sind, kommt hinter uns ein Toyota Pickup Truck angefahren.
Petra steigt erneut aus und hilft auch dessen Fahrer an dem Hindernis vorbeizukommen.
Der Fahrer steigt freudig aus, stellt sich als Nikos vor (geradezu inflationär, die Verwendung dieses Vornamens auf dieser Insel)
und bedankt sich in breitestem Ostküsten-Amerikanisch.
Zeitgleich fragen wir ihn und er uns, warum wir denn der jeweils andere
so gut (Amerikanisch-) Englisch sprechen könne.
Petra sagt schließlich: "You are in the book, in the travel guide book from Müller, right?"
Petra ist unglaublich mit Gesichtern und hat ihn tatsächlich aus dem Reiseführer wiedererkannt,
obwohl das Foto im RF mehr als 20 Jahre alt ist, er auf dem Bild eine Tracht samt Kopfbedeckung
trägt und sie den Abschnitt nur einmal gelesen hat. Hammer!!!
Wir finden Nikos Filippakis unwiderstehlich und sind sofort in einem lockeren Plausch verwickelt.
Er lädt uns ein, in seiner Taverne zu Abend zu essen, was wir natürlich annehmen.
Lustigerweise haben wir in den Tagen zuvor eher einen Bogen um das "Panthenon"
gemacht, weil wir die kitschigen Essensbilder draußen nicht ganz so prickelnd fanden.
Ich hatte mich auch schon einmal bei Nikos' Frau (jedoch ohne zu wissen, dass es seine Frau war)
nach Skordalja erkundigt.
Ich liebe Skordalja und wir hatten es letztes Jahr auf Rhodos dauernd gegessen,
während es leider kaum ein Gastronom auf Karpathos anbietet.
Auf Karpathos hingegen ist Fava (lieben wir auch!) der große Renner,
während man umgekehrt auf Rhodos mit der Lupe danach suchen musste.
Petra ging duschen, ich kletterte auf die höchstgelegene, verfallene Windmühle am äußersten
nordwestlichen Rand von Olymbos, um endlich den unvergleichlichen iliowassilema (Sonnenuntergang)
fotografisch festzuhalten (siehe Bild). Der Weg hoch und runter ist durchaus tückisch, rutschig und nicht ohne Gefahren
- das sollte potentiellen Nachahmern noch ans Herz gelegt werden.
Anschließend ließen wir den Abend recht entspannt ausklingen im "Panthenon".
(Wieder dieses würzige, leicht bittere Kraut/Gemüse als Salat angemacht, gebratene Zucchini und Auberginenscheiben,
tirokeftedhes, skordalja und der obligatorische Bauernsalat mit Kapern-Blättern).
Nikos' Frau weiß definitiv, was sie in der Küche tut. Chapeau!
Abschließend zeigte uns "Blue Eyes", wie wir diesen Nikos unter uns fortan nennen
(Captain ist der Boot-Nikos in Diafani und Kipos-Nikos ist der
Besitzer von der Blauer-Garten-Taverne) seinen Bildband mit genialen alten Bildern
von Olymbos als es noch keine Straße dorthin gab.
Fix aus der Flasche und Rakki wurden auch nicht abgelehnt.
Auch Tag 4 hatte es in sich!
Petra & Gerry
Fotos:
Forokli Beach - Strand für 2, wir hatten reserviert
Geisterdorf auf Raten - Quo vadis, Awlona?
Darf's etwas mehr sein ? - Gemüse bis zum Abwinken in der Taverne "Olymbos"
Beiweisaufnahme abgeschlossen - Ja, ich bin's tatsächlich!
Ich bin dann mal weg - für heute!