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 Betreff des Beitrags: Auf Schusters Rappen - Von Olymbos nach Pigadia
BeitragVerfasst: Di 11. Aug 2009, 20:12 
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Registriert: Fr 25. Apr 2008, 17:05
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Wohnort: Sommer: D, F und GR - Winter: E (Andalusien)
Überarbeitete Fassung eines Berichts, der hier schon mal gestanden hat.

Jahrelang hatte ich von dieser Tour geträumt; im Mai 2004 wollte ich endlich diese Herausforderung annehmen. Sicher, richtige Wanderer mögen darüber schmunzeln, doch für mich war es ein Wagnis. „Dass du mir nur ja keine Eselspfade gehst!“ Mit diesem Satz hatte Ilías mich verpflichtet, nur Fahrwegen zu benutzen. Schade eigentlich, aber er hat ja Recht, denn es kann jede Menge unterwegs passieren und wenn man alleine auf einsamen Pfaden wandert, ist die Chance, gefunden zu werden ziemlich gering. Was alles passieren kann, davon hatte ich zwei Tage vorher bei meinem Bienenabenteuer einen kleinen Vorgeschmack bekommen. Diese Erfahrung gab wohl den Anstoß, mich auch wirklich an Ilías’ Anweisung zu halten.

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Zwei Tage hatte ich nun in Ólympos verbracht – morgen früh würde ich aufbrechen. Doch dann ereilte mich die große Versuchung. Sollte ich mich wirklich alleine auf den Weg machen? Jeder Olymbite erklärte mich für verrückt. „Bleib lieber ein paar Tage hier bei uns im Dorf!“ hatte Fílippas abends vorher noch gemeint und - verlockend war es ja schon, zumal am nächsten Tag in der Kapelle ‚Ágios Konstantinos’, die am Wege nach Awlóna liegt, das Fest des Heiligen Konstantin und der Heiligen Helena gefeiert werden sollte. Oh ja, die Versuchung war groß, in Ólympos zu bleiben, letztendlich siegte aber doch mein Ehrgeiz.

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Um 6:30 Uhr wollte ich starten, lungerte aber immer noch im Dorf herum und fotografierte den Sonnenaufgang. Meine Beine waren auch nicht gerade wanderlustig. Vom vielen treppauf und treppab am Vortag durch Ólympos hatte sich auch ein kleiner Muskelkater eingestellt. Soll ich nicht doch bleiben? Sophía kochte Kaffee. „Bleib doch noch!“ Eine letzte Umarmung „Ich komme wieder, Sophía, spätestens im nächsten Mai!“
Ein letzter Blick zurück auf das noch nicht erwachte Dorf, Adio Ólympos. Warum nur fiel mir der Abschied so schwer?

Ich fand keine Antwort und lenkte meine Schritte in Richtung Spóa. Verlaufen konnte ich mich nicht, ich musste mich ja nur auf der kleinen Staubstraße bewegen. Einmal auf dem Weg liefen die Füße fast wie von selbst. Das Wetter war genau richtig, nicht zu heiß, etwas wolkig und meistens ein wenig Rückenwind aus Nordwest.
Ich war noch nicht lange gegangen, da glaubte ich zu träumen: Stand da doch mitten in der Wildnis ein Deutscher Bierwagen.

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Na, hast du Töne? Nicht weit davon entfernt trieb ein Ziegenhirte seine Herde einen Hang hinauf. Aber was ist das? Er zieht ein Handy hervor und telefoniert. Ein erstauntes Grinsen kann ich mir beim besten Willen nicht verkneifen – zu komisch der Anblick.
Wenige Autos fahren hier auf der Sandpiste in Richtung Süden und – jedes, das in meine Richtung fuhr, hielt an. „Komm steig ein, ich nehme dich mit.“ Auch Michalis aus Awlóna kam gefahren und keiner von ihnen konnte verstehen, dass ich lieber laufen wollte.

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Grandiose Aussichten in die Berglandschaft des Nordens und auf die Küsten im Osten und Westen, die an manchen Stellen sogar beide gleichzeitig zu sehen sind, ließen mich die Anstrengung kaum spüren.
Da es recht windig war, ergab sich irgendwie keine Möglichkeit zu rasten. So trank ich im Gehen hin und wieder einen Schluck Wasser.

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Nicht weit von der Weggabelung, wo es zum Strand Agios Minas hinunter geht, erstrahlt die „Ágios Michalis“ auf der rechten Seite. Die neue, große Kapelle haben die Bewohner von Achamandia vor einigen Jahren zu Ehren des Erzengels Michael erbaut.

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Es geht bergauf und bergab – erholsamer Abstieg, schweißtreibender, langer Anstieg - da muss ich noch hoch? Aber irgendwann war auch das geschafft. Gott sei Dank war es nicht sehr heiß. Der Himmel hat mein Gebet erhört und den ganzen Weg über wurde ich von einer kleinen, Schatten spendenden Wolke begleitet.

Es ist ein wunderbarer Tag in der Einsamkeit der Berge, den ich dankbar in mich aufnehme. Ich denke an die Menschen in Ólympos und ihr karges Leben und nehme mit allen Sinnen die Schönheit der Landschaft in mich auf.

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Dass es ein wenig anstrengend werden würde, dass wusste ich ja, deshalb setzte ich ganz einfach einen Fuß vor den anderen, ohne dauernd darüber nachzudenken, wie weit es denn noch sein würde.

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Und dann - endlich – nach einer der vielen, vielen Kehren liegt Spóa plötzlich vor mir.

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Dennoch dauerte es noch etwa 1,5 Stunden, bis ich die Talsenke umrundet und das Dorf erreicht hatte.

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Nun hatte ich also meinen Traum schon halbwegs wahr gemacht; ich habe es geschafft, die Strecke zu laufen, bevor die Straße von Ólympos nach Spoa geteert wurde.

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Ágios Nikólaos lasse ich diesmal links liegen

Sehr gastlich war es in Spoa allerdings im Mai noch nicht und obwohl ich völlig erschöpft war, machte ich mich nach stärkendem Kaffee und Salat wieder auf die Socken. Würde ich es noch bis Messochóri schaffen? Mal sehen – erst einmal rastete ich kurz hinter Spóa noch ein wenig am Wegesrand. Da ab hier ja nur noch Asphalttreterei angesagt war, zog ich die Sandalen an, hängte die Bergschuhe an den Rucksack und marschierte los.
Wo nahm ich nur, untrainiert wie ich war, die ganze Energie her?

Zwischen Spóa und Messochóri

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Mit freundlicher Genehmigung des Fotografen Jannis Protopapas


Tot sind sie –
alle sind sie tot, die Bäume –
Tränen in meinen Augen,
Tränen laufen über mein Gesicht –
beim Anblick der toten Bäume.


Einst schmücktet ihr
eines der schönsten Gebiete der Insel,
heut’ reckt ihr sterbend
Eure Arme gen Himmel –
Wer hat Euch das angetan,
wer hat Euch so zugerichtet?
Er kam über Euch, der Brand –
wenige Tage nur ist es her,
Marode Kabel, Kurzschluss - Funkenflug –
Der Wind, der tat das übrige –
Vier Löschflugzeuge – tagelang –
doch für Euch gab’s keine Rettung mehr.

Ich weine um Euch, ich trauere um Euch.


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Mit freundlicher Genehmigung des Fotografen Jannis Protopapas

Kilometerlang die Strecke der verbrannten Bäume – die Trauer darum nahm mir wohl die letzte Kraft zum Gehen. Als ein Auto neben mir hielt, da wehrte ich mich nicht mehr – mein Ehrgeiz war gebrochen – und müde und traurig kam ich in Messochóri an.
Evgenia, die Schwester von Evi (Töchter des legendären Zacharias) aus Pigádia, nahm mich auf wie eine liebe Freundin. Natürlich hatte sie ein Zimmer für mich. Sie brachte mich sogar in ihren Privaträumen unter.
„Schau, bis hierhin hat es gebrannt!“ sie zeigte auf eine Stelle, nur wenige Meter vom Haus. Wie gut nur, dass der Wind von Nordwesten, vom Meer her kam. Dennoch war der Rauch in alle Häuser von Messochóri gezogen – man roch es jetzt noch ein wenig im Inneren des Hauses. „Und alle haben wir große Atemprobleme gehabt.“ erzählt sie weiter. Das Schlimmste aber sei gewesen, dass man die vier Löschflugzeuge aus Rhodos zu früh wieder weggeschickt habe. Der Brand habe sich aufs Neue entfacht – 3 Tage und Nächte habe er gewütet. Und sie weint, die starke Evgenia, die sonst so schnell nichts aus der Fassung bringt.

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Endlich Feierabend - Evgenia mit Sohn


Der Besuch bei Manolis im Skopi ist für mich ein absolutes Muss in Messochóri und da wir dort ein kleines, lustiges Grüppchen waren, wurde es später als geplant. Na ja, so ist das eben auf Kárpathos und ich genieße es, die Situationen einfach so zu nehmen, wie sie nun mal sind. Hier muss ich keine Planungen und Termine einhalten, hier darf ich jeden Tag so nehmen, wie er halt ist, hier bestimmen die Ereignisse, die Begegnungen mit Menschen die Zeit. Und – jeder Tag birgt neue Überraschungen.

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Abends in Messochori - Fussball im Fernsehen


So traf ich auch am Abend aus mehreren Gründen noch die Entscheidung, mit dem Bus am nächsten Morgen zur Inselhauptstadt zurückzufahren. Da war einmal die Polizei, die auf meine Angaben zu einem Vorkommnis wartete; mit der Ersatzbrille von Sophía (meine hatte ich ja bei der Bienenattacke einige Tage vorher verloren) kam ich auch nicht klar und – last but not least – ich sehnte mich nach einem sauberen T-Shirt.
In der Nacht schlief ich wie ein Stein und hätte fast den Schulbus verpasst, der um 6:45 Uhr in Messochóri abfährt.
Über Spóa, Lefkós, Pilés, Óthos und Apéri ging es zurück nach Pigádia, wo wir gegen 8 Uhr ankamen. Obwohl ich nur zwei Tage und Nächte in fast menschenleerer Gegend unterwegs war, kam mir das Leben trotz der frühen Morgenstunde in Pigádia recht quirlig vor. Vom Hafen aus rief Ilías an. „Kannst Du mir bitte mein Zimmer richten?“ Er war erleichtert, aber dennoch verwundert, dass ich schon von meiner Tour zurück war.

Ich habe dir das schönste Studio zurechtgemacht, bemerkte Ilías, dem ich zwei Stunden später im Garten begegnete. Und richtig, Studio 7 am Ende des Anwesens ist nicht nur das größte und schönste; vom Bett aus kann man den Gipfel des Profítis Ilías bei Menetés sehen.

Dass Ilías meine Umquartierung allerdings aus taktischen Gründen vorgenommen hatte, das gestand er mir augenzwinkernd einige Tage später.
“Ilías, Ilías, das hätte ich nun doch nicht von Dir gedacht, dass du dich als Heiratsvermittler versuchst; dachte immer, die Kuppelei sei den griechischen Frauen vorbehalten!
Sie versuchen es doch immer wieder, meine griechischen Freunde – ob sie jemals Erfolg hatten?
Darüber schweigt Kassandras Höflichkeit.

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Δείξε μου τους φίλους σου να σου πω ποιός είσαι
Muéstrame a tus amigos, y te digo que eres
Zeige mir deine Freunde, und ich sage dir wer du bist


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