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 Betreff des Beitrags: Wenn Steine erzählen könnten . . .
BeitragVerfasst: Do 15. Mär 2012, 19:53 
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Registriert: Fr 25. Apr 2008, 17:05
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Wenn Steine erzählen könnten . . .
Dieser Gedanke kommt mir ständig beim Anblick der vielen Ruinen hier. In keiner Gegend Europas habe ich diese beredte Vergangenheit so intensiv gespürt wie hier im Südosten Andalusiens, im warmen, unvergleichlich hellen Licht von Al Andaluz.

Alte, verfallene Gebäude, die einstmals stattliche Gehöfte waren und heute höchstens noch ein paar Schafs- oder Ziegenherden als Unterstand dienen, ziehen mich wie magisch an. Jedes einzelne Cortijo könnte sicher aufschlussreiche und spannende und Geschichten von seinen Bewohnern und deren Lebensumstände erzählen; von Erdbeben und Überfällen, von Piraten, Hungersnöten und Pestepidemien und vom ganz alltäglich-banalem Groß- und Kleinbürgertum. Könnten sie doch nur reden, diese Steine; mit ihren lebendigen Geschichten würde man wohl Bibliotheken füllen können.

Manchmal findet man allerdings auch heute noch Geschichten und Begebenheiten aus früheren Zeiten, wie z.B. bei diesem fast verfallenen Gutshof.

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Bei diesem alten Gebäudekomplex handelt es sich um das Cortijo del Fraile, das im 18. Jahrhundert von den Mönchen des Dominikanerklosters Almería erbaut, jedoch schon im 19. Jahrhundert verlassen wurde.
Durch den berühmten spanischen Dichter Federico García Lorca und seinem Roman „Bodas de Sangre“ (Bluthochzeit) wurde das Cortijo über die Grenzen Andalusiens hinaus bekannt.

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Es war eine Zeitungsmeldung im Juni 1928, die vom Cortijo del Fraile berichtete, dass die Braut einer Hochzeitsgesellschaft entführt worden war und dass man bei der Suche nach ihr auf die Leiche eines Mannes gestoßen war. Diese Zeitungsmeldung inspirierte den gesellschaftskritischen Lorca zu seinem Roman „Bodas de Sangre“.
Es gibt heute noch Menschen, die die damals verhinderte Hochzeit als Kleinkinder miterlebt haben. Eine Nichte der damaligen Braut lebte z.B. noch 1991 in einem Cortijada ganz in der Nähe, im Weiler Los Albaricoques. Auch diese hätte gehumpelt, erzählt man sich im Dorf, genauso, wie die Braut in Lorcas Roman Bluthochzeit. Auf Augenzeugen von damals zu treffen, so viel Glück hatte ich leider nicht, aber ich war schon froh, noch ein paar Fotos in den alten Gemäuern machen zu können, bevor von dem einstmals prächtigen Gutshof nichts mehr als eine Handvoll Steine übrig geblieben ist.

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Diese Treppen führen unter die Kirche – ob Francisca heimlich ihren Cousin Curro in der dunklen Krypta getroffen hat?
In den damaligen Gerichtsakten wird es vielleicht gestanden haben

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War es hier am Kamin, wo Francisca der Heirat mit Casimiro zustimmte?
Oder hatten eher andere Personen ein Interesse an dieser Hochzei?
Dunkle Geheimnisse und Familienfehden waren durchaus an der Tagesordnung.

Das Cortijo del Fraile gehört heute einem Plantagenbetreiber aus Murcia, der auch hier Brokkoli, Blumenkohl und Icebergsalat anbaut, um sie nach ganz Europa zu liefern.

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Blick vom „Minenweg“ bei Rodalquilar auf das Cortijo del Fraile und die riesigen Gemüsefelder drum herum

Laut der am 8. Februar 2011 ausgestrahlten Fernsehsendung Andalucía directo soll es sich um einen rein ökologischen Gemüseanbau handeln.
Als ich mich am 17. Januar 2011 dort aufhielt, spritzten sie allerdings gerade großflächig eine fürchterlich chemisch-stinkende Brühe auf die Felder. Ob die gesund war? Jedenfalls habe ich so lange es ging, den Atem angehalten.

Die Zeiten von Blutrache sind in Andalusien wohl längst vorbei, heute dreht sich das kriminalistische Geschehen häufig um Korruption und illegaler Bautätigkeit, Ausbeutung von Emigranten, verbotenen Pflanzenschutzmitteln usw

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In diesem Jahr erfuhr ich, dass meine liebe Freundin Emilia mit den damaligen Gutsbesitzern und somit auch der Braut von damals verwandt ist.
Sie ist allerdings keine Freundin von Lorca und sieht seine „Bodas de Sangre“ mit äußerst kritischen Augen. Das alles sei damals ganz einfach eine ärgerliche Sache gewesen und Lorca habe das für seine gesellschaftspolitischen Aktivitäten benutzt.

Ja, ja, wenn Steine erzählen könnten . . .
Mittlerweile ziert ein hässlicher Bauzaun das ganze Gelände; besinnt man sich hier etwa lauernder Unfallgefahren oder will man unliebsame Besucher fernhalten?
Eigentlich sollte das Cortijo ja dringend restauriert werden . . . wer weiß, vielleicht geschehen hier ja doch noch Wunder?

. . . übrigens, betagt starb die Braut von damals 1987; ihr Grab findet man auf dem Friedhof von Nijar

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