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Eine Henne für ein Maultier
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Autor:  Karpathiote [ Di 7. Jan 2020, 18:35 ]
Betreff des Beitrags:  Eine Henne für ein Maultier

Die Stimme des deutschen Soldaten drang durch die Felder von Afiartis:
„Eine Henne für ein Maultier, ich gebe für eine Henne ein Maultier ...“
Die Bauern, die das hörten, waren argwöhnisch und zeigten kein Interesse. Ein so junges Maultier ist ein nützliches Arbeitstier, doch es war eines von denen, die die Italiener überstürzt zurückgelassen hatten. Es war September 1943, die Italiener verließen nach dem Waffenstillstand ihre Stellungen und ließen dabei ihre Maultiere zurück, welche sich daraufhin von der Kaserne in Afiartis aufmachten, um irgendwo ihren Hunger und Durst zu stillen. 800 deutsche Soldaten waren eben auf Karpathos angekommen, auch sie suchten nach Möglichkeiten, ihren Hunger zu bekämpfen. Dieses Maultier war eine gute Möglichkeit, es würde sich jemand finden, der dafür eine Henne opferte. So ließ der deutsche Soldat nicht locker, streichelte das Maultier am Kopf und rief weiter in seiner unverständlichen Sprache. Doch auf einen so ungewöhnlichen Tausch wollte sich keiner der Einheimischen einlassen. So kam der Soldat am Haus des kleinen Christóforos Angélou vorbei, der das ruhige Tier bewunderte und seinen Vater beschwor, er solle das Tier doch eintauschen. Doch der ließ sich nicht darauf ein, handelte es doch um ein Maultier der Eroberer. Enttäuscht ging der Soldat weiter und traf danach auf seinem Weg auf Michális Fréskos. Diesem gefiel das Tier, das er auf seinen Feldern gut einsetzen konnte. So lief er los zu seinem Hühnerstall, griff ein Huhn an den Beinen, brachte es dem hungrigen Soldaten und führte anschließend das Maultier zu sich nach Hause.
Einige Monate vergingen, Michális Fréskos konnte das tüchtige Maultier bei den Arbeiten gut gebrauchen. Doch dann lief etwas schief. Ob jemand den Deutschen etwas gesteckt hatte? Jedenfalls machten sich die Deutschen auf die Suche nach den Tieren der Italiener, die der Armee gehörten und verschwunden waren! So kamen sie auch am Haus von Michális Fréskos vorbei und sahen den Vierbeiner. Sie nahmen das Maultier und seinen Besitzer mit. Beim Verhör stritt Michális Fréskos nichts ab, er erzählte, wie er durch den Austausch einer Henne in den Besitz des Maultiers gekommen war, das sich somit rechtmäßig in seinem Besitz befand. Die Offiziere verlangten von ihm, ihnen den Soldaten zu zeigen, von dem er das Maultier eingetauscht hatte. Da gab es keine Schwierigkeiten, Michalis Fréskos erkannte sofort den Soldaten, der sich in der Nähe befand. Doch dieser bestritt jede Verwicklung in die Sache des Tausches und nannte Michális Fréskos einen Lügner. Da konnte dieser sich nicht mehr zurückhalten, ohne Zeit zu verlieren spuckte er dem deutschen Soldaten, der stur die Wahrheit abstritt, ins Gesicht.
Das war der Anfang vom Ende, der Soldat griff zu seiner Pistole. Ohne zu zögern schoss er aus nächster Nähe ins Gesicht von Michális Fréskos.
Die offizielle Mitteilung, die Menetés erreichte und auf Karpathos die Runde machte, lautete, dass der Tote „gesündigt habe, weil er das Hakenkreuz bespuckt habe“!

Dateianhang:
Hinrichtung.jpg
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Das Gemälde stammt von dem karpathischen Maler Dimos Chatzigeorgíou

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